Deutschlands Automobilbranche steckt in einer tiefen Strukturkrise. Inmitten wachsender globaler Konkurrenz, lähmender Regulierung und ausbleibender Innovation geraten selbst einstige Industriegiganten ins Wanken. Zahlen, Fakten und Entwicklungen zeigen: Der Standort Deutschland steht unter Druck – politisch, wirtschaftlich und technologisch.
Inhaltsverzeichnis:
- Tesla, BYD und Volkswagen - Technologielücke wird größer
- Bürokratie bremst Ladeinfrastruktur und Batteriewerke
- China kontrolliert Lieferketten, Europa verpasst Anschluss
- US-Strategie - Zölle, Subventionen, Standortbindung
- Standort Deutschland - Hohe Kosten und wenig Planbarkeit
Tesla, BYD und Volkswagen - Technologielücke wird größer
Volkswagen hat in den vergangenen Jahren den Wandel zur Elektromobilität deutlich verlangsamt. Das Softwareprojekt „Cariad“ gilt intern als Milliardenflop. Plug-in-Hybride konnten auf dem Weltmarkt nicht mithalten. Gleichzeitig steigen Unternehmen wie Tesla und BYD in neue Dimensionen auf. BYD betreibt mehr als 30 Produktionsstandorte für Batterien und Elektrofahrzeuge in China, darunter Großfabriken in Shenzhen und Xi’an.
Während Volkswagen kein konkurrenzfähiges Betriebssystem liefern kann, setzt BYD weltweit Standards. Tesla schaffte es, seine Fabrik in Shanghai in weniger als einem Jahr fertigzustellen – von Genehmigung bis Serienproduktion. In Deutschland hingegen dauert allein der Genehmigungsprozess oft mehrere Jahre.
Bürokratie bremst Ladeinfrastruktur und Batteriewerke
Ein Standortnachteil ist auch die behördliche Überregulierung. Für eine einzige Ladesäule für Elektroautos sind in Deutschland über 60 Genehmigungen erforderlich. Der Bau einer Batteriefabrik kann durch Umweltauflagen, Berichte und Prüfprozesse jahrelang verzögert werden. Ein VW-Manager nannte die Genehmigungsdauer in China – rund ein halbes Jahr – als Referenz für effiziente Industriepolitik.
Hinzu kommt die neue europäische Nachhaltigkeitsberichtspflicht, die selbst Mittelständler zwingt, hunderte Stunden in ESG-Dokumentationen zu investieren. Die geplante Abgasnorm Euro 7 könnte außerdem den klassischen Verbrennungsmotor vorzeitig beenden – mit enormen Kosten für Zulieferer und Produktionsstandorte.
China kontrolliert Lieferketten, Europa verpasst Anschluss
China dominiert inzwischen bei Lithium, Kobalt, Nickel und Seltenen Erden. Der Staat sichert sich gezielt Ressourcen in Afrika und Südamerika. Konzerne wie Ganfeng Lithium investieren in strategische Bergbauprojekte weltweit. Gleichzeitig scheitern europäische Vorhaben an endlosen Prüfverfahren. Projekte wie das Lithiumwerk in Brandenburg oder die Förderung im Oberrheingraben stagnieren – die Förderung hat noch nicht begonnen, aber der Widerstand ist längst da.
Marken wie XPeng, Nio und Zeekr bieten High-Tech-Fahrzeuge zu Preisen, die deutsche Hersteller nicht erreichen können. Ein BYD Seal mit 500 Kilometern Reichweite kostet in China umgerechnet 25.000 Euro – weit günstiger als ein vergleichbares Modell aus Wolfsburg oder Sindelfingen.
US-Strategie - Zölle, Subventionen, Standortbindung
Die Vereinigten Staaten setzen auf eine Mischung aus Protektionismus und gezielter Förderung. Der „Inflation Reduction Act“ mobilisiert über 370 Milliarden Dollar – darunter 7.500 Dollar Steuergutschrift pro lokal produziertes Elektroauto und 35 Dollar pro Kilowattstunde Batteriezellenfertigung.
Die Wirkung ist deutlich: BMW investiert 1,7 Milliarden Dollar in das Werk Spartanburg, Mercedes-Benz eine Milliarde in Tuscaloosa, Volkswagen fertigt den ID.4 bereits in Chattanooga. Für deutsche Hersteller ist der US-Markt essenziell – allein 2023 wurden dort über eine Million Fahrzeuge verkauft.
Standort Deutschland - Hohe Kosten und wenig Planbarkeit
Energiepreise, Lohnkosten und Abgabenlast gehören in Deutschland zu den höchsten weltweit. Unternehmen sehen sich einer Flut aus Formularen, Vorschriften und politischen Ideologien gegenüber. In Berlin wird über Genderleitfäden und Förderquoten debattiert, während anderswo bereits produziert wird.
Das Resultat ist sichtbar: Der Industriegasriese Linde verlegte 2023 seinen juristischen Sitz nach Irland – weg von Regulierung, hin zu steuerlicher Entlastung. Der Schritt wurde von Investoren begrüßt, die Aktie stieg. Die Reaktion der Politik blieb verhalten. Zu offensichtlich ist die strukturelle Überforderung des Standorts.
Immer mehr Unternehmen ziehen nach. Nicht aus Überzeugung – sondern aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Die Frage ist nicht mehr, ob – sondern wann der nächste geht.
Quelle: FOKUS