Die aktuellen Zahlen aus Deutschland zeigen ein deutliches Bild. Immer mehr junge Menschen bestehen die theoretische und praktische Führerscheinprüfung nicht. Im Jahr 2024 fiel fast jeder Zweite durch die Theorieprüfung. Psychologieprofessor Florian Becker sieht die Ursachen nicht in äußeren Umständen, sondern in einer abnehmenden Leistungsfähigkeit der Jugendlichen.
Inhaltsverzeichnis:
- Zahlen des TÜV zeigen bedenkliche Entwicklung
- Sinkende Leistungsfähigkeit bei Kindern in Deutschland
- Veränderungen im Verhalten und in der Motivation
- Ursachen und psychologische Faktoren
- Gesellschaftliche Folgen und notwendige Schritte
Zahlen des TÜV zeigen bedenkliche Entwicklung
Der Technische Überwachungsverein veröffentlichte im vergangenen Jahr genaue Daten. Die Durchfallquote in der theoretischen Führerscheinprüfung lag 2024 bei 41 Prozent, in der praktischen bei 30 Prozent. Besonders betroffen war die Klasse B. Dort scheiterten 45 Prozent der Fahrschülerinnen und Fahrschüler an der Theorie und 37 Prozent an der Praxis.
Damit setzt sich der Negativtrend auch im Jahr 2025 fort. Fast die Hälfte aller Fahrschülerinnen und Fahrschüler schafft die Theorie nicht. Die Prüfung ist jedoch eine reine Lernleistung. Sie prüft das, was man sich aneignen kann, wenn man sich konsequent vorbereitet.
Florian Becker betont, dass häufige Erklärungen wie schlechte Fahrschulen, zu komplexe Prüfungen oder finanzielle Interessen des TÜV nicht greifen. Die Tests sind in zwölf Sprachen verfügbar, wodurch mangelnde Sprachkenntnisse als Grund ausscheiden. Entscheidend sei vielmehr die Fähigkeit, kontinuierlich zu lernen und sich zu disziplinieren.
Sinkende Leistungsfähigkeit bei Kindern in Deutschland
Die Ergebnisse der Führerscheinprüfungen passen in ein größeres Muster. Daten aus Schulen zeigen seit Jahren eine negative Entwicklung.
- Etwa 25 Prozent der Kinder können nach der Grundschule weder richtig lesen noch schreiben (IGLU-Studie).
- Die Leistungen in Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen sinken seit über zehn Jahren laut PISA-Erhebungen.
- Gleichzeitig steigt die Zahl der sehr guten Schulabschlüsse: Rund 30 Prozent erhalten inzwischen ein Einser-Abitur.
- Wettbewerbe wie die Bundesjugendspiele verlieren ihren Leistungscharakter.
Becker beschreibt diese Entwicklung als „leistungsfeindliche Komfortzone“. Lehrer und Schulleiter, die Disziplin fordern, berichten von wachsendem Druck, anstatt Unterstützung zu erhalten.
Veränderungen im Verhalten und in der Motivation
Fahrlehrer in Deutschland schildern ähnliche Beobachtungen. Viele ihrer Schülerinnen und Schüler seien nicht in der Lage, sich systematisch auf Prüfungen vorzubereiten. Die Ursachen lägen oft im Elternhaus. Kinder würden von sogenannten Helikopter-Eltern überall hingefahren, anstatt selbst Erfahrungen im Straßenverkehr zu sammeln.
Zudem berichten Lehrer und Fahrlehrer von Jugendlichen, die ohne Frühstück kommen, ihre Hausaufgaben nicht erledigen und sich im Unterricht passiv verhalten. Dieses Verhalten spiegle sich später in der Fahrausbildung wider.
Becker warnt, dass diese Entwicklung weit über das Autofahren hinausgehe. Sie sei ein Symptom eines allgemeinen Leistungsabfalls und einer wachsenden Demotivation. Immer mehr Jugendliche zeigten geringe Selbstdisziplin und Konzentrationsfähigkeit.
Ursachen und psychologische Faktoren
Nach Beckers Einschätzung hängen die Probleme mit zwei zentralen psychologischen Merkmalen zusammen:
- Intelligenz, gemessen etwa über den IQ
- Selbstdisziplin, also die Fähigkeit, eine Aufgabe trotz Widerstand zu Ende zu bringen
Beide Faktoren verschlechtern sich laut Studien seit rund 30 Jahren. Der sogenannte Anti-Flynn-Effekt zeigt, dass der durchschnittliche IQ von Kindern in Deutschland sinkt. Parallel dazu nimmt die Bereitschaft ab, sich langfristig anzustrengen.
Andreas Schleicher, der Leiter der PISA-Studien, kritisierte in diesem Zusammenhang die deutsche Bildungspolitik scharf. Er sprach von mangelndem Verständnis gegenüber Leistungsanspruch und Disziplin.
Gesellschaftliche Folgen und notwendige Schritte
Becker fordert eine offene Diskussion über die Ursachen. Wenn immer mehr junge Menschen an grundlegenden Anforderungen scheitern, gefährdet das die Zukunft einer Wissensgesellschaft. Deutschland brauche wieder mehr Kinder, die zu selbstständigen und leistungsfähigen Persönlichkeiten heranwachsen.
- konsequente Förderung von Selbstdisziplin und Lernbereitschaft
- Wiederherstellung klarer Leistungsstandards in Schulen
- Unterstützung der Lehrkräfte bei Disziplinmaßnahmen
- öffentliche Diskussion über die Bedeutung von Intelligenz und Motivation
Ohne diese Veränderungen drohe das Bildungssystem, zu einer reinen Komfortzone zu werden, in der keine Entwicklung mehr möglich sei. Becker sieht die sinkenden Bestehensquoten bei den Führerscheinprüfungen als deutliches Warnsignal für den Zustand des gesamten Bildungssystems in Deutschland.
Quelle: FOCUS online